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Station 13 / Heike Neumeister: Imaginierte Fülle

Palmer / Galerienhaus 3.0

»Imaginierte Fülle« ist eine Gedächtnisausstellung für die 1963 in Stuttgart geborene Künstlerin und Meeresbiologin Heike Neumeister.

Neumeister war eine überaus engagierte Naturwissenschaftlerin, die nach der Promotion 1995 im Bereich Biokybernetik an der Universität Tübingen in die USA gegangen ist und sich dort in unterschiedlichen Forschungs- und Naturschutzprojekten einen Namen gemacht hat. Zahlreiche Fachpublikationen und Auszeichnungen zeugen davon. Auch dass es heute vor New York wieder gesunde Austernbänke gibt, ist maßgeblich der Arbeit Neumeisters zu verdanken.

Neumeister genoss keine akademische Kunstausbildung, belegte aber zahlreiche Kurse für Zeichnung, Malerei und Bildhauerei, unter anderem am Art Student’s League of New York und am Monterey Peninsula College.

Ganz selbstverständlich bewegte sie sich zwischen Naturwissenschaften und Kunst. Nach außen wirkte sie bis zum Ende ihrer Kräfte in Forschungs- und Naturschutzprojekten, ihre Kunstwerke waren eher Rückzugsorte. Wie eine Zen-Meisterin hegte sie damit Orte der Einkehr und Besinnung.

Oft sehen ihre Bilder aus, als ob eine helle Leere den Rest von Farbigkeit an die Ränder gedrängt hätte. Dort verharrt er wie eine vage Frage, um im nächsten Augenblick zu verschwinden, ohne eine Antwort geliefert zu haben.

Diese expandierende Leere aber ist nicht nichts, sie enthält genügend feine Textur, entstanden durch den Auftrag des Materials, eine Textur die dazu angetan ist, Gedanken einzufangen – nicht um sie abzubilden wie auf einer Projektionsfläche, sondern um sie gleich einem Mikrofilter vom Betrachter fernzuhalten, den Betrachter vor seinem Denkschlammassel zu schützen.

Diese Bilder sind keine Verkünder, keine Lautsprecher, keine Spektakel, sie sind Absorbtionsflächen, stille und kostbare Felder, die zur Kontemplation einladen. Mit ihren sparsamen Ereignissen vermitteln sie – gleich einer Wasseroberfläche, einer weiten Sandfläche am Strand, einem Sediment – eine Ahnung vom Reichtum der Welt, dessen man erst in der Bescheidenheit ansichtig wird.

Heike Neumeister ist 2020 in New York gestorben.

Thomas Preuss, selbst Naturwissenschaftler und langjähriger Partner von Heike Neumeister spendet den Künstleranteil aus dem Verkauf ihrer Werke der Hilfsorganisation „Herniencamp“– für einen humanitären Einsatz am St. Francis Buluba Hospital in Uganda.

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