Schwerinblicke – Künstlersichten
Staatliches Museum Schwerin
Mit Bazon Brock, Larissa Fassler, Jim Hamlyn, Res Ingold, Matthias Kanter, Nicolas Manenti, Jürgen Palmer, Reinigungsgesellschaft, Andreas Sachsenmaier und Daniel Spoerri
Darin "schwerin.blindstudie", Rauminstallation mit Hörstück
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Aus der Projektbeschreibung / Januar 2010
Der schwarze Raum mit Oberlicht hat nur einen Eingang bzw. Ausgang (an der schmalen Seite gegenüber der Außenwand des Museums). Er hat von diesem Eingang aus gesehen eine klare Ausrichtung, nämlich zur gegenüberliegenden Schmalseite hin, an der ein einfacher Tisch steht; darauf ein mittelgroßer Standspiegel und eine schwache, nackte Glühbirne mit Zuleitung.
Zwischen Eingang und Tisch stehen mindestens 12 einfache Stühle (je nach Raumangebot auch mehr), und zwar so, als ob diese ursprünglich in Reihen mit einem Mittelgang angeordnet gewesen, aber durch aufbrechende Besucher in Unordnung geraten wären.
Die Seite, an der der Tisch steht, ist die Basis für das Klangzuspiel. In den Ecken dieser Seite sind zwei Monitorlautsprecher installiert und ein Subwoofer (Bass) irgendwo am Boden. Alles möglichst unsichtbar – wenn die Verkleidungsstoffe es zulassen, außerhalb der Abhängung.
Der Raum im Raum ist Haus, Hütte, Zimmer, Versammlungsplatz, Kapelle. Und wenn der Raum mit dem Klang zusammen gelegentlich die Assoziation zum Dom evoziert, ist das beabsichtigt. Sitzbänke, Chor, Altar sind in einer primitiven Art nachgebildet. Der "Altar" ist aber nicht der Ort der "Verkündung", sondern der Ort der Selbstentdeckung, Selbstreflexion, (Spiegel), das Licht der nackten Glühbirne ist nicht das Licht der "Erleuchtung", sondern die Funzel der Selbsterkenntnis.
Das Oberlicht ist die "Möglichkeit", das Offene... das sich aber nicht spektakulär aufdrängt. Das Innenlicht soll so schwach wie möglich sein... das Blindsein nah.
Der Dom war bei meinen Stadterkundungen immer wieder der Ausgangs- oder Mittelpunkt. Hier habe ich auf der Außentreppe nachts die Punks getroffen, hier habe ich die Führungen belauscht und etwas über die Geschichte und den Orgelbau erfahren, hier habe ich die vielleicht intimsten Gespräche mit der blinden Frau Günzler geführt, hier hat mich die Launenhaftigkeit menschlicher Gemeinschaft und menschlicher Bedürfnisse berührt: ich sah in einer Ausstellung Bilder vom brechend vollen Kirchenraum während der Montagsdemonstrationen vor der Wende und ich sah den jetzt nahezu leeren Kirchenraum während des Gottesdienstes... auch ein Wende.
Wenn ich den Dom als simples Modell in den Museumsraum einbaue und als Konzentrations- oder Kulminationspunkt annehme, entspricht das in gewisser Weise meiner Schwerin-Erkundungs-Karte.
Das Hörstück ist unbedingter Bestandteil des Raumes... es ist der Klang des Raumes selbst, sein Eigenklang, wobei der Raum zwar auch der tatsächliche Innenraum des "Modells" ist, zugleich aber auch ein nicht verortbarer Außenraum und damit auch der Raum für Projektionen und Assoziationen des Besuchers.
Wichtig sind deshalb unterschiedliche Dynamik und unterschiedliche Dichte, Stille, Verdichtung, Klangnähe und Klangferne. etc. Erzählende Texturen wechseln sich mit reinen Montagen und mit Stille ab.
Die vier kompositorischen Maetrial-Pools sind: O-Töne aus dem Stadtraum Schwerin, Gespräche mit der Blinden und Bearbeitungen von Orgelklängen aus dem Schweriner Dom. In den Gesprächen geht es zuvorderst um die Sinneserfahrung und Orientierung ohne den Gesichtssinn und die Frage, welcher Stellenwert dem Gehör hier zukommt.
Die O-Töne bringen die Palette von Stadtgeräuschen, "Natur"-Geräuschen, aber auch von Stimmen verschiedener anderer Menschen ins Spiel.
Die Orgelbearbeitungen bestehen aus Bruchstücken von Liszt-Stücken (Schweriner Dom), Isolierungen von Einzeltönen und Intervallen aus denselben sowie tonhöhen- und tondauermanipulierten Akkord- und Melospartikeln.
Das Stück dauert ca. 1 Stunde, wiederholt sich also stündlich. Es hat einen Anfang und ein Ende, wobei es nicht unbedingt zwingend ist, diese eine Stunde von Anfang bis Ende zu hören.