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Signaturen des Selbst
(Im Katalog zur Ausstellung "Spiegelbilder)

„Bloß nicht festlegen“ titelt der Kritiker der Stuttgarter Zeitung. Den von ihm in der Schau „Jürgen Palmer – Spiegelbilder“ ausgemachten „Weg zur Befreiung von jedem Stil“ scheint er als negative Entwicklung zu sehen. Eine einheitliche Künstlerhandschrift sei kaum noch auszumachen. Sagt er. In der Tat erstaunt es viele Ausstellungsbesucher, dass sowohl die farblich und dramaturgisch reduzierten Filme, als auch die hängenden Objekte, die fragilen Zeichnungen, die pastos-figurativen Gemälde und die poetisch-ruhigen Punkte- und Schleifenbilder aus dem Atelier ein und desselben Künstlers stammen. Wer seine Augen nur flüchtig durch die Räume und über die Exponate gleiten lässt, kann tatsächlich den Eindruck bekommen, er habe eine Gruppenausstellung um sich.

Diese Spannbreite des künstlerischen Ausdrucks war einer der Gründe, Jürgen Palmer als erstem Künstler in der mittlerweile achtjährigen Geschichte meiner Stuttgarter Galerie eine Solo-Schau anzubieten. Den bislang üblichen Dialog zweier Künstler führt er mit früheren Arbeiten von sich selbst.

Im 1984 entstandenen Gemälde „Blauer im Spiegel“ erkenne ich das klassische Motiv des sich analysierenden Künstlerselbstportraits, hier im Spiegel, mit Pinsel in der Hand. Auch die Protagonisten der im selben Jahr entstandenen Bilder „Maulwurf (Selbst)“ und „O.T. (Figur rot)“ scheinen Seelenzustände des Künstlers zu reflektieren. Einmal mit geradezu religiös anmutender „Noli me Tangere“- Geste, einmal in kauernder Eremiten-Position. Das über 30 Jahre später entstandene Ölgemälde „O.T. (Signatur)“ zeigt das inzwischen gestiegene Selbstbewusstsein des Künstlers, dessen Monogramm zum Icon geworden ist, das wiederum eine eindrucksvolle Rauchwolke im lieblich-rosafarbe­nen Bildgrund hinterlässt. Wie das 2016 entstandene Readymade-Bild „Signatur“ beweist, reicht inzwischen auch ein buchstäblicher Ausschnitt aus seinem Maler-Hemd, um als kunstwürdige Reliquie verehrt zu werden.

Ein anderer Grund, Jürgen Palmer die alleinige Bespielung meiner Galerie zu überlassen, war mein Vertrauen in sein Gespür für den Raum (den er übrigens auch in einigen Videos thematisiert). Sein gebeuteltes Spiegelmosaik-Objekt „Disko“ z.B. hat er bewusst zwischen und vor den unbetitelten Ölgemälden von 2018 und den aus oxydierten Centstücken und Acrylfarbe bestehenden Kleinformaten von 2016 positioniert. Die runden, zwischen Punkten und Kreisen changierenden Formen auf den Bildern reflektieren im ureigenen Sinne des Wortes die von der Diskokugel abgegebenen Lichter.

Alle diese Werke sind „Spiegelbilder“, Selbstportraits, die den ruhigen, besonnenen Charakter ihres Autors widerspiegeln. Die Nichteinheitlichkeit der Künstlerhandschrift ist das Einheitliche und Vereinende. Die Poesie, das Interesse für das Aufbrechen geometrischer Strenge und der unterschwellige Humor bilden dennoch einen roten, zumindest einen orangenen Faden durch das gesamte Schaffen.

Marko Schacher, Juli 2018

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